Kontakt zur Audience halten

(Foto: Adam Solomon / unsplash.com) Vor der Corona-Pandemie, die zur vorübergehenden Schließung von Spielstätten und der Absage von Festivals und Veranstaltungen geführt hat und führt, waren es vor allem die aktuellen rechtsgerichteten, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die einen intensiven Dialog und Kontakt in alle Bevölkerungsgruppen hinein, zum Gebot der Stunde machen. Das Wirken von Theater und Darstellenden Künsten in die Bevölkerung, also als gelebte Umsetzung des Bildungs- und Vermittlungsauftrages und der „Kultur-für-alle“-Maxime.

Wenn es uns um die Erhaltung unserer freiheitlich orientierten Gesellschaft geht, erlangt die Forderung nach intensiverem Dialog und einer Vermittlung freiheitlicher Werte, zusätzliches Gewicht. Im persönlichen Interview in dieser Ausgabe kritisiert beispielsweise Guy Montavon, Generalintendant des Theater Erfurt, einen Mangel an Grundkenntnissen bei den politischen Kräften im Land, die zur Vernachlässigung der Kultur führen. Auch dem gilt es mit Blick auf die Grundkenntnisse der zukünftigen politischen Kräfte vehement entgegenzuwirken. Jede Investition in die Entwicklung möglicher Besucherkreise scheint vor diesem Hintergrund in höchstem Maße sinnvoll. Ein Blick auf zunehmende Einflussnahmen durch rechtsorientierte Politiker, zunächst noch nur auf kommunaler oder Landesebene, sollte als Weckruf genügen. Natürlich müssen dabei demokratische Prinzipien leiten. Dies muss aber auch den Schutz eben dieser beinhalten.

Eine zentrale Rolle nimmt bei all dem die „audience“ ein, die es zu erreichen, zu entwickeln und jetzt auch, über die „Durststrecke einer Corona-Pause“ zu halten gilt. Mit Zielgruppeabgrenzungen tut sich der Kulturbetrieb im Allgemeinen allerdings vielfach immer noch schwer. Die mantra-artig benannte Zielgröße, wenn es um die Frage geht, wer angesprochen werden soll, lautet häufig schlicht: Alle! Auch, wenn sich seit Jahrzehnten nichts daran ändert, dass es sich bei der Klientel der „Theatergänger“ im Wesentlichen um ca. drei Prozent der Bevölkerung handelt. Und diese rekrutiert sich unverändert überwiegend aus der Gruppe der Ü50 – bildungsnah, besserverdienend, bürgerlich. Die Aufgaben für das audience development scheinen damit auch schon klar umrissen: Verjüngung und Erweiterung.

Wie kann dies alles gelingen, wenn COVID-19 nun einen Keil zwischen audience und Bühne treibt, Vorstellungen abgesagt werden, Häuser geschlossen bleiben, Tickets zurückgegeben werden müssen, Enttäuschung droht und die Live-Kultur ein Stück weit aus dem Blickfeld rückt. Die Kurzform der Antwort lautet: Kontakt halten! Die lange Version zielt darauf, dass gerade diese Zeit genutzt wird, um intensiver mit bestehenden Zielgruppen zu interagieren. Neue Medien machen dies möglich. Vielerorts sind nun Vorstellungen ohne Publikum kostenfrei im Livestream verfügbar. Ohne Zweifel sollte dies nie ein Ersatz für die physische Rezeption von Live-Performances am Ort der Aufführung werden. Aber es bieten sich dadurch auch Chancen zur Kundenpflege und -bindung sowie zur Erweiterung des Bestandes an Kontaktdaten. Gerade, wenn das Live-Erlebnis wegfällt, kann die Bereitschaft und das Interesse an Informationen genutzt und gefördert werden. Hierbei ist eine serviceorientierte Grundhaltung aller Funktionsbereiche zweifelsohne hilfreich. Solange Eventformate mit kleineren Besucherzahlen möglich sind, lassen sich durch eine gewisse Exklusivität der Teilnahme zusätzliche Impulse setzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Erweiterung digitaler Angebote und Kanäle. Etwa durch Interview-Podcasts mit Künstlerinnen, Regisseurinnen oder Akteur*innen aus dem Backstage-Bereich, dem Streaming von Proben oder dialogorientierter Alltags-Tagebücher in Social Media Plattformen von Facebook über Instagram bis Youtube und mehr. Viele bieten Ähnliches bereits an. Jetzt gilt es diese Aktivitäten konzertant in das audience development einzubinden und zu verknüpfen. Wenn es auch hierzulande dazu kommt, dass Menschen in großer Zahl mehrere Tage im häuslichen Umfeld verweilen müssen, wird das Interesse an unterhaltenden Begleitern wachsen.

Vor allem für den, in manchen Bevölkerungsgruppen als sperrig empfundenen Theaterbetrieb, kann daraus nach außen auch eine gewisse Image-Aktualisierung resultieren. Auch intern mag sich daraus ein Impuls zur Neuentdeckung und Neuerfindung und dem Ausleben bereits bestehender und neuer kreativer Ideen entwickeln. Dabei sollten die Aktivitäten allerdings nicht von Aktionismus geleitet werden. Im Vordergrund steht das Ziel die Kontakte mit bestehenden Besucherkreisen zu intensivieren und die Chancen zur Kontaktaufnahme mit neuen Besuchern aktiv zu ergreifen. Nicht zuletzt ließe sich damit auch die große Relevanz kultureller Einrichtungen für die Gesellschaft erlebbar dokumentieren.

Am 14. Mai findet erneut ein Workshop zum „audience development“ in Köln statt. Informationen finden Sie unter www.theatermanagement-aktuell.de/workshops. Bis zum 31. März können Sie sich noch den early bird Tarif sichern, d.h.: 125,00 € für die 1. Person einer Einrichtung sowie 95,00 € für die 2. und jede weitere Person der gleichen Einrichtung.

Autor: Jürgen Preiß, Berater für Marketing & Kommunikation und Herausgeber von theatermanagement aktuell